Konzertbesprechung Süddeutsche Zeitung, 3. November 2014
Tönendes Spielzeug Das Duo Laar bei der Kraillinger Impro-Nacht
Der Andrang war außergewöhnlich groß beim „49. Salon für Klang und Kunst“. Nicht nur, weil Gastgeber Udo Schindler dieses Labor der Ad-Hoc–Improvisation bereits gut etablieren konnte und das Programm stets mit Koryphäen des Fachs bestückt. Das Electro-Acoustic Poetry Duo Augusta und Kalle Laar, das mit dem Saxofonisten, Klarinettisten und Trompeter Schindler den Abend bestritt, ist in Krailling ansässig und im Landkreis noch nicht vergessen, obgleich mit der Schließung des Cafés Fußberg in Gauting der Aufführungsraum verloren ging.
Zwischen München und Wien vielfältig künstlerisch engagiert und tätig, pflegt das Ehepaar Laar im Duo eine Improvisationskunst, die neben elektronischer Klangerzeugung, tönendem Spielzeug und Schallplatte auch Sprache und Dichtung einbezieht. Nicht etwa im Sinne einer zusammenhängenden Lesung. Es geht vielmehr um musikalische Qualitäten der Sprache, die sich in assoziativ gesponnenen Versen von Augusta Laar als Melodie, Rhythmus und Lautmalerei äußern. „Was hast du gesagt genau im Eifer?“
Unterlegt von elektronischen Soundscapes und Strukturen, gewürzt mit gequältem Kornett—Winseln, konnte ein einziger Satz über Melodieänderungen und Verschiebungen der Betonungen auch mit Inhalten und Bedeutungen spielen. Dann Quietsch-Mickey-Mouse, ein Paar Töne der elektrischen Melodika, knarzende, stimmverarmt-perkussive Schläge eines alten Kalimba oder ein ins Mikrofon kreischendes Miauen aus einem Döschen.
Manchmal auch archaisch-imposante Töne von Kalle Laar, die als architektonische Rahmen wieder aus dem klangreichen Dschungel herauswiesen – ein Bildwechsel, den Schindler mit Saxofonen oder Bassklarinette aufgebracht kommentierte. Mit seinem schier unerschöpflichen Vorrat an tönendem Spielzeug zieht der Part von Augusta Laar stets viel Aufmerksamkeit auf sich, zumal die Neugier, was da nun seltsames wieder ins Mikro plärrt, knarzt, trällert, klimpert oder aus einer Puppenmechanik redet – „Kämmst Du mir die Haare“, sprach Barbie — es schwer macht, diese Sammlung der Kuriositäten nicht zu fokussieren.
Kalle Laar griff zum Theremin, einem bewegungsgesteuerten, sanglichen Instrument, kommentierte rezitativisch die Worte: „Gibst Du mir Zunge, geb ich Dir Stift“ mit dem verhauchenden Nachsatz: „Weiß ich nicht, weiß ich nicht“. Worte, wenn auch noch so zurückhaltend eingeworfen, ziehen magisch an. Man konnte nicht umhin, nach Sinn und Bedeutung zu suchen, zumal sich auch die Mitspieler zurücknahmen, um sich anschließend mit Geräuschen und Motiven der Sprache in Sinn und Klang deutend anzunehmen. Ein spannendes multimediales Erlebnis, das viel Applaus erntete. REINHARD PALMER
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